eMail: info@martinwindeler.de

My domain

Gästebuch (neu)

Gästebuch (alt)

Chat

Bastard               

Biere

CD's

Download   

Fußball

Links

Projects

Photos

Witze

Stories

Suche

Halloechen alle...

Hier jetzt mal die Erfahrungen eines Mailsuechtigen... TEIL 1:

-------------------------Schnippel--------------------------------
Liebe Therapeuten...

Ich bin krank. Ich bin abhaengig. Meine Sucht heisst DFUe, und
Mail ist meine Droge.

Zur Dokumentation meines Einstiegs, Leidensweges und meiner
zunehmenden Vereinsamung werde ich hier mein Tagebuch
veroeffentlichen, allen zur Warnung und als schlechtes Beispiel.

Arno Nuehm



Tag 1

Habe mir heute ein Modem gekauft, 2400 bps. Ein Freund hat mich
dazu ueberredet. Ausprobieren konnte ich es nicht, denn erstens
habe ich keine DFUe-Software und zweitens kann ich es nicht
anschliessen

Morgen will mein Freund das Modem anschliessen, er murmelte
irgendwas von zwei Draehten und Parallelschaltung. Er macht das
schon.

Ich bin aufgeregt.



Tag 2

Heute nachmittag hat mein Freund das Modem angeschlossen. Er hat
zwei Draehte von der Telefondose aus bis zum Computer gelegt.

Auf meinen 286er hat er ein Programm namens Telix kopiert. Da ist
ein Telefonverzeichnis drin, mit Nummern von Mailboxen. Die werde
ich alle mal anrufen.

Bei den ersten Waehlversuchen erschien immer bloss "NO CARRIER"
auf dem Bildschirm, worauf mein Freund in irgendwelchen Menues
etwas verstellte, bis das Modem schliesslich funktionierte. Er
liess mich dann an die Tastatur.

Zuerst musste ich Escape druecken, dann sollte ich meinen Namen
eingeben. Mein Freund meinte, ich hiesse "Gast". Dann sollte ich
viele Fragen ueber meinen Computer beantworten, mein Freund sagte
mir die Antworten und schrieb sie auch auf einen Zettel, fuer
andere Mailboxen, wie er sagte.

Ich sah mir zunaechst die Menues der Box an. Alles ging sehr
langsam, das liegt an meinem Modem, meinte mein Freund. Machen
konnte ich eigentlich nichts, weder Nachrichten schreiben und
Spiele spielen noch Dateien kopieren. Dafuer muss man
eingetragener User werden, das mache ich morgen.



Tag 3

Habe heute gleich nach der Arbeit den Computer eingeschaltet und
die Box von gestern angerufen. Ich habe mich als User eingetragen
und musste mir ein Passwort ausdenken. Die Mailbox meinte, ich
solle nicht meinen Namen nehmen und in jeder Box ein anderes
Passwort verwenden. Ich habe mir dafuer einen Zettel an meinen
Monitor geklebt.

Als User darf man viel mehr Sachen machen in der Mailbox, ich
habe erstmal eine halbe Stunde Tetris gespielt. Das ist zwar
nicht so schoen wie bei mir zuhause, aber dafuer langsamer, so
dass ich besser spiele.

Ich darf jetzt auch "downloaden", so der Fachausdruck fuer das
Herunterkopieren von Programmen. Geklappt hat es nicht, weil die
Box meinte, meine Zeit fuer heute wuerde nicht mehr dafuer
reichen. Na gut, wird auf morgen verschoben.

Nachrichten schreiben geht auch, ich habe meinem Freund
geschrieben, dass alles funktioniert. Ob ich oeffentliche oder
private Nachricht gewaehlt habe, weiss ich nicht mehr so genau,
aber es wird schon geklappt haben.

Die anderen Mailboxen konnte ich nicht anrufen, weil meine
Freundin nach Hause kam und Ewigkeiten telefonierte. Ich habe ihr
nichts vom meinem neuen Hobby erzaehlt.



Tag 4

Heute vormittag habe ich mit meinem Freund wegen der kurzen
Onlinezeit telefoniert. Er meinte, mit einem schnelleren Modem
koenne ich auch vernuenftig downloaden, "saugen", wie er es
nennt.

Nachmittags habe ich dann sofort nach dem Login einen Download
gestartet, leider wurde die Datei (irgendein Spiel) nicht
komplett uebertragen, weil meine Freundin das Telefon abnahm und
"Da pfeift einer ins Telefon" rief, was mein Modem mit "NO
CARRIER" quittierte.

Danach war die Box immer besetzt. Ich habe dann angefangen, die
Boxen aus dem Telefonverzeichnis der Reihe nach anzurufen. Acht
Stueck habe ich geschafft und mich ueberall als User eingetragen,
nur bei einer nicht, die mich rauswarf, weil mein Modem zu
langsam sei.

Meine Freundin war leicht saeuerlich, weil ich nur noch vor dem
Computer saesse und mich nicht um sie kuemmere. Nicht mal
telefonieren koenne sie. Ich habe ihr hoch und heilig Besserung
gelobt.



Tag 5

Gestern habe ich ihr Besserung gelobt, heute bin ich zur Tat
geschritten. Ich habe die Telekom angerufen und einen zweiten
Anschluss beantragt. Die wollen schon naechste Woche kommen und
ihn installieren. Vorher kaufe ich mir noch ein schnelleres
Modem, das alte dient dann als Ersatz fuer Notfaelle.

Vorhin habe ich endlich das Spiel saugen koennen, aber es
funktioniert nicht. Es hat auch eine komische Dateiendung, sonst
ist es doch immer COM oder EXE. Ich werde dort mal jemanden
fragen.

Die Nachricht an meinen Freund ist wohl doch in einem
oeffentlichen Bereich gelandet, ich habe ganz viele Antworten
bekommen. Zum Glueck stand nichts geheimes drin. Ich habe allen
geantwortet, die mir geschrieben haben.

Es ist schon ziemlich spaet, aber ich werde noch kurz in den
anderen Boxen vorbeischauen, da gibt es auch noch mehr
Telefonnummern von weiteren Mailboxen.



Tag 6

Ich muss wohl vor dem Computer eingeschlafen sein. Ich bin um 10
Uhr vormittags aufgewacht, meine Freundin hat mich nicht geweckt,
sondern bloss einen Zettel ("Aufwachen!") auf den Monitor
geklebt. Die Mailbox scheint nach 5 Minuten Inaktivitaet
aufgelegt zu haben, nuetzliche Einrichtung sowas, werde dem Sysop
ein Dankschreiben schicken. Meinem Chef habe ich erzaehlt, ich
haette einen Platten gehabt.

Ich habe wegen des Spiels mit dem Sysop gekloent, "chatten"
nannte er das. Er meinte, ich braeuchte ein Programm zum
Entpacken, hat mir erklaert, wo ich das bei ihm finde und wie ich
es benutze. Hat auch geklappt, bloss, dass das Downloaden soviel
Zeit kostet, ist aergerlich, ich hatte nicht mal Zeit zum
Tetrisspielen.

Die Frage wegen des Spiels hatte ich vorher schon in oeffentliche
Nachrichtenbereiche (Echos, Bretter) geschrieben, und zwar in
alle, in die ich schreiben durfte, schliesslich war es wichtig.

Kurz bevor meine Freundin nach Hause kam, habe ich den Computer
abgeschaltet und Zeitung gelesen. Das scheint sie etwas
besaenftigt zu haben. Ausserdem ist es vielleicht gar nicht so
schlecht, wenn ich heute rechtzeitig schlafen gehe, immerhin will
ich morgen nicht schon wieder verschlafen.



Tag 7

Heute _hatte_ ich einen Platten. Wirklich peinlich, ich habe
meinem Chef erzaehlt, ich haette verschlafen, denn noch einen
Platten haette er mir wohl nicht geglaubt.

Heute nachmittag habe ich mir ein schnelleres Modem gekauft,
14400 Bit pro Sekunde soll es uebertragen koennen, ist sogar aus
Hamburg, von Dr. Althuette oder so aehnlich.

Postzugelassen soll es auch sein, nur leider passt das
Anschlusskabel nicht in meine Telefondose. Mein Freund kann mir
er nicht helfen, er ist ueber's Wochenende weggefahren. Naja,
naechste Woche will ja die Telekom kommen, vielleicht koennen die
mir zeigen, wie das angeschlossen wird.

Meine Freundin ist heute abend mit ein paar Freunden weg, ich
habe gesagt, ich fuehlte mich nicht so gut. Den Abend / die Nacht
habe ich in zahlreichen Mailboxen verbracht, in Stuttgart habe
ich eine Box mit ganz vielen Leitungen gefunden und dort
stundenlang gechattet.



Tag 8

Heute ist Sonnabend. Ich habe auf die Rueckkehr meiner Freundin
gewartet und bin wohl wieder am Computer eingeschlafen. Meine
Tastatur hat einen grossen Brandfleck, vielleicht sollte ich
nicht rauchen, wenn ich muede bin, und lieber mehr Kaffee
trinken. Dafuer muss ich aber in die Kueche und mich vorher
ausloggen. Zigaretten sind praktischer.

Auf meine Frage wegen des Spiels habe ich viele unfreundliche
Antworten bekommen, ich solle mich doch gefaelligst ans Thema
("Topic") halten oder verschwinden. Zwei Leute haben mir
ausfuehrliche Erklaerungen zu meinem Problem geschickt, eine
davon klang irgendwie spoettisch, aber was soll's.

Das mit den Themen hat mich aber neugierig gemacht. Es gibt zu
allen moeglichen Themen Diskussionsforen, aber nur in die
wenigsten darf ich auch schreiben. Nachrichten ("Mail") lesen ist
eigentlich noch viel interessanter als Chatten und Spielen, das
Niveau ist auch viel hoeher als im Chat.

Ich habe den Sysop im Chat gebeten, mir erweiterte
Schreiberlaubnis zu geben, aber er meinte, ich solle erstmal nur
mitlesen und Erfahrungen sammeln, wie die Gepflogenheiten im Netz
so sind. Als ich nachfragte, was er mit Netz meinte, hat er mir
ein paar Texte "zwangsdowngeloadet". Werde ich mir mal
durchlesen, wenn ich Zeit habe.

Meine Freundin hat mir einen Vortrag ueber Telefongebuehren
gehalten, und dass ich mir eine eigene Leitung fuer das Modem
bestellt habe, fand sie wider Erwarten gar nicht gut.



Tag 9

Ich hatte einen Alptraum.

Ich komme aus dem Urlaub zurueck, und das Telefon laeutet. Am
anderen Ende ist ein Telekom-Mitarbeiter und erkundigt sich
besorgt, ob mit mir alles in Ordnung sei.

Kurz darauf klingelt es an der Tuer. Es ist ein Fahrer von UPS,
er bringt mir ein Paket von der Telekom. Ich quittiere den
Empfang und oeffne es. Darin ist meine Telefonrechnung mit
Einzelverbindungsnachweis, zusammen mit einem handschriftlichen
Dankschreiben.


Ich habe heute nur kurz in meinen Stammailboxen vorbeigesehen und
die Texte ueber Mailboxnetze gelesen. Faszinierend.



Tag 10

Heute war der Telekom-Techniker da. Die beiden Draehte, die mein
Freund an die alte Telefondose geklemmt hatte, hat er
kommentarlos entfernt und dann eine weitere Dose installiert, so
eine mit drei Steckplaetzen. Ich fragte ihn, ob ich da mein Modem
anschliessen koenne, und zeigte ihm mein Dr. Althuette-Modem. Ich
weiss nicht, warum er so komisch gegrinst hat. Er meinte, das
waere kein Problem und zeigte mir, an welchen Platz der Stecker
kommt.

Ich habe dann erstmal mit dem neuen Modem in diversen Boxen
angerufen mich an der hohen Geschwindigkeit erfreut. Der Sysop
meiner ersten Mailbox hat mir einen sogenannten Offlinereader
empfohlen, um Mail als Paket downzuloaden und spaeter zu lesen,
das spare mir Kosten und halte ihm die Leitung frei. Scheint ein
ganz netter Kerl zu sein, er hat auch meinen Userlevel erhoeht,
ich darf jetzt laenger in der Box bleiben.

Meine Freundin war nicht begeistert, mich schon wieder am
Computer vorzufinden, dass sie telefonieren konnte, beruhigte sie
etwas. Sie ging dann eine Freundin besuchen.

Abends habe ich wieder Nachrichten gelesen. Komisch, fuer was man
sich alles interessieren kann, wenn es elektronisch daherkommt.
Manchmal kann man aber am Brettnamen ueberhaupt nicht erkennen,
worum es geht, zumindest wird im Pinball-Echo nicht ueber's
Flippern geredet.



Tag 11

Ich habe den Offlinereader ausprobiert, funktioniert wirklich
bestens. Jetzt kann ich auch zum Kaffeekochen in die Kueche, ohne
dass die Mailbox auflegt, oder mit meiner Freundin reden, falls
sie mich mal anspricht. Ausserdem kann ich mehr Echos lesen.

Langsam kenne ich mich ganz gut aus in den Diskussionsforen, ich
fange an, den Vielschreibern dort Konkurrenz zu machen. Den
Versuch, in einer erst kuerzlich eroeffneten Mailbox dem
haeufigsten Anrufer seine Position streitig zu machen, habe ich
aufgegeben, mir fehlt einfach die Zeit.

In fuenf sueddeutschen Mailboxen haben mich einige fuer verrueckt
erklaert, weil ich aus Hamburg anrufe. Sie haben insofern recht,
als dass ich die Netzbretter ja auch in Hamburg lesen koennte,
aber die lokalen Diskussionen entgingen mir dann ja. Vielleicht
haben es mir ja einige auch bloss uebelgenommen, dass ich in
ihren bayrischen Laberechos auf Platt dazwischengefunkt habe.



Tag 12

Heute hatte ich ein unangenehmes Gespraech mit meinem Chef. Er
wollte wissen, was diese merkwuerdigen Satzzeichenansammlungen in
meinen Briefen zu suchen haetten. Keine Ahnung von Smilies, der
Mann. Ausserdem fragte er mich, ob ich neuerdings etwas gegen
Umlaute habe. Ich muss wohl jetzt alles korrekturlesen, sonst
gibt es noch richtigen Aerger mit ihm.

Heute kam die Telefonrechnung, verdammt hoch. Ich habe
tieftraurige Mails in die Mailboxen in der Fernzone gesetzt, dass
ich es mir nicht mehr leisten koenne, weiterhin anzurufen.

Ich habe meine Freundin heute den ganzen Tag nicht gesehen, ich
weiss gar nicht, ob sie gestern da war.



Tag 13

Ich habe meine Arbeitszeit in Absprache mit meinem Chef um zwei
Stunden verschoben. Morgens ist das Telefonieren zwar teurer,
aber dafuer sind wenigstens die Mailboxen nicht staendig besetzt.
Als ich abends von der Arbeit kam, war Stromausfall.

Waehrend ich noch ueberlegte, ob ich mir nicht einen kleinen
Generator fuer den Computer anschaffen sollte (schliesslich ging
das Telefon ja noch), nutzte meine Freundin die Gelegenheit, mir
ein Gespraech ueber unsere Beziehung aufzunoetigen.

Sie fand, mein Hobby naehme zuviel Zeit in Anspruch, sei teuer
(verdammt, ich hatte die Telefonrechnung doch versteckt) und
isoliere mich voellig von meiner Aussenwelt. Was sie denn unter
Isolation verstehe, wollte ich wissen, und sie sagte, ich haette
ihren Geburtstag vergessen.

Ich sah ein, dass ich etwas gutzumachen hatte, und lud sie fuer
morgen zum Mittagessen ein. Sie schlug heute vor. Ich wandte
zoegernd ein, abends waere Billigtarif, aber viel weiter kam ich
auch nicht, da sie Mantel und Handtasche griff und aus der
Wohnung stuermte. Ich Idiot, Billigtarif ist doch die ganze Nacht
lang.



Tag 14

Ich habe wieder in den Fernzonen-Boxen angerufen, um zu sehen, ob
jemand auf meine Abschiedsmails geantwortet hat. Allzu traurig
scheint niemand darueber zu sein. Komisches Volk da unten.

Ich habe ueber das Gespraech mit meiner Freundin nachgedacht.
Teilweise hatte sie sogar recht, ich weiss inzwischen beinahe
mehr ueber die Menschen in der Netzgemeinde (leider fast
ausschliesslich Maenner) als ueber die Menschen, mit denen ich
lebe. Es ist eine richtige Parallelwelt.

Ein gewisser nobody@nowhere.universe schrieb mir "welcome to my
killfile" und schickte mehrere Megabyte Zeichenwirrwarr an mich,
hat ganz schoen gedauert, das zu saugen. Ich werde meinen Sysop
mal fragen, wie man das entpackt.

Meine Freundin kam kurz vorbei, holte sich ein paar Sachen und
meinte, ich solle mich langsam mal zwischen ihr und der DFUe
entscheiden. Ich werde mich wohl mit ein paar Freunden im Netz
beraten.



Tag 15

Meine Stammbox nahm heute morgen um halb vier einfach nicht ab,
kein Besetztzeichen, sie nahm einfach nicht ab. Ich habe im
Telefonbuch die Nummer meines Sysops nachgeschlagen, um ihm
gleich Bescheid zu sagen, falls er es noch nicht gemerkt haben
sollte.

Er hat mich ziemlich uebel beschimpft, gefragt ob ich besoffen
sei und gesagt, er wuerde die Box erst wieder hochfahren, nachdem
er meinen Account geloescht habe. Ich habe es gegen 11 versucht,
die Box lief wieder, aber ich konnte mich nicht anmelden, er
scheint mein Passwort geaendert zu haben, und als Gast darf ich
nicht ins Netz schreiben.

Ich habe dann erstmal in anderen Boxen angerufen und mich
bemueht, dort wieder Netzzugang zu bekommen, heute wird es aber
wohl nichts mehr damit. Ich werde nachher vielleicht endlich mal
wieder abwaschen oder aufraeumen, die Abwesenheit meiner Freundin
macht sich inzwischen bemerkbar.


Ich habe wohl etwas zuviel getrunken, meine Tastatur hat einen
Brandfleck mehr. Aber es stoert mich nicht mehr.



Tag 16

Ich habe ziemlich schlecht geschlafen. Ich habe getraeumt, dass
meine Freundin fruehmorgens erscheint und die Modems
wegschliesst.

Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass es stimmt.
Sie hat mir Fruehstueck gemacht und mich vor die Wahl gestellt,
entweder weiter meine Tage ohne sie und mit DFUe zu verbringen
oder in ein normales Leben mit ihr und ohne Modem
zurueckzukehren.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich einen langsamen Entzug
mache, taeglich unter ihrer Aufsicht eine halbe Stunde DFUe, nur
online, nur Ortstarif. Den zweiten Anschluss wird sie morgen
kuendigen.



Tag 17

Sie will mit mir verreisen, um mich auf andere Gedanken zu
bringen. Sie hat mir ernste Konsequenzen angedroht, falls sie
dann ein Notebook oder aehnliches bei mir findet. Ich habe
zugestimmt und Urlaub genommen.

Irgendwie habe ich auf einmal zuviel Zeit. Ich weiss nichts
rechtes mit mir anzufangen. Es gibt so viele Dinge, die ich tun
koennte, aber mir fehlt die Kraft, mich aufzuraffen. Ich werde
mich zwingen, mit ihr spazieren zu gehen.



Tag 18

In zwei Stunden fahren wir in Urlaub. Vielleicht kommt dann alles
wieder ins Lot.

Ich habe mir eine Zeitung gekauft. Sehr gewoehnungsbeduerftig,
wieder ganz normal so ein einseitiges Medium zu lesen.

Da ist garnichts zum Zurueckquoten drin.

-!- CrossPoint v3.1
! Origin: Alzheimers advantage: New friends every day. (2:240/5248.2)

Ä Area: JOKES.GER ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ
Msg#: 12158 Date: 04-05-96 14:17
From: Jan Neumann Read: Yes Replied: No 
To: Alle Mark: 
Subj: Mailsuechtig (2)
ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ

Halloechen alle...

Hier jetzt Teil 2:

-----------------------------Schnippel-------------------------------
Tag 19

Als wir gestern im Zug nach Amsterdam sassen, war ich eigentlich
sehr zuversichtlich, dass ich meine DFUe-Sucht langsam eindaemmen
und unsere Beziehung wieder kitten koennte.

Als ich abends im Hotel im Bett lag, ging mir auf, dass sie mich
reingelegt hat. Wie soll denn der vereinbarte langsame Entzug
(taeglich 30 Minuten) funktionieren, wenn Computer und Modem im
Nachbarland stehen?

Ich aergerte mich ueber meine Naivitaet und konnte nicht
schlafen. Ob der Aerger die Ursache war oder die Gewohnheit,
nachts am Computer zu sitzen, weiss ich nicht. Jedenfalls war ich
heute morgen voellig groggy.

Ich habe sie beim Fruehstueck auf unsere Vereinbarung
angesprochen. Sie tat sehr bestuerzt und beteuerte, es taete ihr
leid, daran habe sie gar nicht gedacht, und sie sei ueberzeugt,
dass ich eine Woche auch ganz ohne DFUe auskommen koennte.
Innerlich hat sie sich bestimmt vor Lachen geschuettelt. Sadismus
pur.

Wir haben den ganzen Tag lang die Stadt erkundet. Huebsche Stadt
eigentlich, die Altstadt zumindest. Unzaehlige Teestuben,
Troedellaeden und natuerlich Coffieshops. Ein paar Postaemter
habe ich auch entdeckt. Ob es in Holland auch oeffentliche BTX-
Terminals gibt?



Tag 20

Vormittags, waehrend sie ueber einen Flohmarkt bummelte, habe ich
ein bisschen die Stadt erkundet. Wunschgemaess habe ich
Briefmarken fuer Ansichtskarten gekauft, und zwar in vier
verschiedenen Postaemtern. BTX-Terminals gab es aber in keinem.
Vielleicht haben die in Holland auch gar kein BTX. Ein grosser
Verlust waere es ja eigentlich nicht, aber in der Not frisst der
Teufel ja bekanntlich allerhand ekelhaftes.

Der Tag wollte einfach kein Ende nehmen. Den Nachmittag haben wir
in einer Teestube verbracht, zum Glueck gab es aber auch Kaffee.
Abends haben wir Freunde von ihr besucht, Hamburger, die in
Amsterdam studieren.

Ich hatte gehofft, dass einer der beiden vielleicht einen
Internetzugang an der Uni hat. Natuerlich Fehlanzeige, die
studieren Kunstgeschichte und wissen wahrscheinlich nicht mal, wo
bei einer Tastatur oben ist.



Tag 21

Ich habe mir heute auf einem Flohmarkt einen gebrauchten 286-
Laptop gekauft. Meine Freundin war dabei und konnte keine
schwerwiegenden Argumente dagegen anfuehren, zumal die Kiste
wahnsinnig guenstig war.

Sie hatte natuerlich sofort den Verdacht, ich wuerde hier wieder
DFUe betreiben wollen. Ich konnte sie aber beruhigen, denn
immerhin habe ich kein Modem, keine entsprechende Software und in
unserem Hotelzimmer gibt es kein Telefon.

Wir haben eine Grachtenfahrt gemacht. Viel Ungewoehnliches zu
sehen gab es fuer einen Hamburger natuerlich nicht, die haben ja
weniger Bruecken als wir. Computergeschaefte konnte ich bisher
auch nicht entdecken.



Tag 22

Meinen Plan, demnaechst mit dem Laptop wieder ans Netz zu gehen,
habe ich erstmal freiwillig auf Eis gelegt, denn ich habe hier
ein Internet-Cafe entdeckt. Das Problem ist bloss, dass ich noch
nicht so genau weiss, wie ich ein paar Stunden dort verbringen
kann, ohne dass meine Freundin Verdacht schoepft.

Vielleicht sollte ich krank spielen, schwerfallen duerfte es mir
nicht, ich fuehle mich ohnehin ziemlich ausgelaugt. Auch habe ich
den Eindruck, dass meine Haende morgens zittern, aber starker
Kaffee hilft bekanntlich gegen alles.

Meine Schlafstoerungen sind auch nicht besser geworden, ich habe
fast die ganze Nacht wachgelegen. Zwischendurch bin ich
eingedoest und habe von meiner Stammbox getraeumt. Ich schreckte
schweissgebadet hoch, als ich meinte, einen Carrier zu hoeren. Es
war aber nichts, nicht mal der Wecker. Ich habe dann erstmal ein
paar geraucht, dann fuehlte ich mich wieder besser. Die frische
Luft bekommt mir nicht.



Tag 23

Heute nachmittag waren wir bei ihren Freunden zum Kaffee
eingeladen. Ausser "Hallo" habe ich nicht viel gesagt, nur die
ganze Zeit daneben gesessen und Kaffee getrunken.

Es war fuerchterlich. Ich wurde gefragt, ob ich studiert haette,
und falls ja, welches Fach. Unverschaemt, mich einfach so
anzusprechen. Auf einmal stand ich im Mittelpunkt des Interesses,
alle sahen mich an. Keine Bedenkzeit, nicht mal vorher eine
rauchen. Ein kurzes Nippen am Kaffee war meine einzige
Moeglichkeit, die Antwort etwas zu verzoegern.

"Chemie, soso, und abgebrochen. Warum denn das? Und was machst Du
jetzt so?" Ein regelrechtes Kreuzverhoer, ich habe mich erstmal
fuer eine halbe Stunde auf die Toilette zurueckgezogen. Danach
teilte ich mit, dass ich mir wohl gestern an einem Fischbroetchen
den Magen verdorben haette.

Unter Mitleidsbezeugungen wurde ich ins nahegelegene Hotel
entlassen. Ich bin dann sofort zum Internet-Cafe. Eigentlich war
es eher ein Internet-Coffieshop, auf jeden Fall gab es dort Gutes
zu rauchen.

Im Internet selbst habe ich mich kaum zurechtgefunden. Nach
mehrstuendigem Klicken durch's Worldwide Web (bunte Bilder,
Werbung, kaum Inhalt) gelang es mir, einen sogenannten Newsserver
zu finden. Dort gab es Mail. Viel Mail.

Um neunzig Gulden aermer verliess ich den Coffieshop wieder. Nach
den paar Joints fuehlte ich mich gut wie seit langem nicht mehr.
Ich glaube, heute nacht werde ich schlafen koennen.



Tag 24

Ich bin gestern Abend sofort eingeschlafen, musste nicht mal
Schaefchen zaehlen oder so. Gegen Mittag bin ich aufgewacht,
meine Freundin war nicht da. Ich bin dann sofort wieder zum
Internet-Coffieshop gegangen, er war aber noch geschlossen.

Ich ging in einen Troedelladen, der auch antiquierte Computer-
Hardware verkauft. Auf der Suche nach einem Akustikkoppler
natuerlich. Der Besitzer konnte mir zwar damit nicht helfen, aber
dafuer mit einem alten Modem, diversen Kabeln und einer
Bastelanleitung.

Handwerklich geschickt bin ich ja ein bisschen, also habe ich mir
noch ein paar Werkzeuge gekauft und mich im Hotelzimmer an die
Arbeit gemacht. Im Bad natuerlich, ich bin ja schliesslich
vorsichtig.



Tag 25

Ich bin fruehmorgens mit einem Taxi an den Stadtrand gefahren. In
einer einsam gelegenen Telefonzelle habe ich dann meine
Ausruestung ausgepackt: Lapton, Modem, Draehte, Werkzeug.

Nach der "Bastelanleitung" habe ich den Hoerer geoeffnet, ein
paar Draehte abgerissen und mit meinem Modem verbunden. Ob es
geklappt haette weiss ich nicht, auf dem Laptop war kein
Terminalprogramm.

Ein Taxi konnte ich mir nicht rufen, ich habe den Hoerer nicht
mehr zusammenbekommen. Ich bin dann zu Fuss losmarschiert, bis
ich eine Bushaltestelle fand. Von dort bin ich zurueck ins Hotel
gefahren.

Meine Freundin schlief noch. Mir war nicht zum Schlafen zumute,
eher zum Heulen. Meine Haende zittern wieder, aber Kaffee hilft
nicht mehr dagegen. Ich werde nachher bei einem Coffieshop
vorbeischauen.



Tag 26

Gestern haben wir uns abends wieder mit ihren Freunden getroffen.
Sie haben andauernd versucht, mich in Gespraeche zu verwickeln.
Es war wirklich Dauerstress, ich habe kaum geantwortet.

Als ich von einem Toilettengang wiederkam, verstummte ihr
Gespraech ploetzlich. Ich bin sicher, die haben ueber mich
geredet. Als ob mit mir was nicht Ordnung waere. Sie haben mich
so merkwuerdig angesehen, so als ob ich nicht richtig ticke.

Sie goennt mir bloss mein neues Hobby nicht. Aber zur Teilnahme
an ihrem "gesellschaftlichen Leben" kann sie mich auch nicht
zwingen. Von jetzt an rede ich mit denen kein Wort mehr.



Tag 27

Jetzt ist alles aus. Schluss und vorbei. Wir haben uns getrennt.

Ich bin letzte Nacht erst gegen fuenf eingeschlafen. Sie hat sich
morgens gedacht, dass wir den Urlaub lieber abbrechen sollten.
Dann hat sie angefangen, unsere Sachen zu packen. Sie hat dabei
Laptop und Modem entdeckt.

Sie hat mich aufgeweckt und mich angeschrien. Warum ich sie so
belogen haette. Sie hat mir ueberhaupt nicht zugehoert. Ich bin
dann aus dem Zimmer und zum Internet-Coffieshop gerannt. Er war
noch geschlossen. Ich habe gegen die Tuer gehaemmert, bis mir die
Hand wehtat. Dann habe ich mich weinend davorgesetzt.

Zwei Polizisten wollten mich mit auf die Wache nehmen. Aber ich
lasse mir nichts mehr gefallen. Ich kann im Schlafanzug durch die
Stadt laufen, soviel ich will. Ich habe ein bisschen um mich
geschlagen.

Meine Freundin hat mir abends alle meine Sachen auf die Wache
gebracht, nur die Computerteile nicht. Sie ist zurueck nach
Hamburg gefahren.

Mich haben sie noch nicht weggelassen. Ein Arzt war bei mir, so
ein Psycho-Klempner. Mit denen redet man besser gar nicht erst.



Tag 28

Jetzt bin ich in diesem Krankenhaus und es geht mir gut, danke.
Sie haben mir Medizin zum Schlafen und gegen mein Zittern
gegeben.

Auch die Pfleger, die mir das Essen bringen, geben sich wirklich
die groesste Muehe. Aber sie sagen mir nicht, wann ich wieder
nach Hause kann. Und was aus meinen Mailfreunden wird.

"Nein, ich halte gar nichts von Computern" meint der eine.
"email? Was ist das?" sagt der andere.